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  • Autorenbildroswithazatlokal

14.12.2020


Liebes Tagebuch,

heute ist ein echt toller Tag. Frauli und ich kuscheln sehr viel, wir essen Kipferl, trinken Kakao, genießen unsere Zweisamkeit.

Okay, die Nanni ist auch da. Wieder einmal. Aber ich tu einfach so, als würde ich sie gar nicht sehen. Und weißt du was? Das wirkt. Sie stört mich gar nicht mehr so viel wie sonst.


Gestern war ich ja ein wenig durch den Wind. Nein, ich schlag nicht nach, woher dieser Begriff kommt. Zumindest jetzt nicht. Ich hab mich da echt in den Tiefen des Internets verloren gehabt. Wollte immer mehr wissen und immer gescheiter werden.


Heute denke ich mir: wozu das alles? Mein Wissen ist ausreichend für meine derzeitigen Lebensumstände. Mit wem soll ich denn hier großartig diskutieren über Kunst und Kultur, Geschichte und Philosophie? Mit den Nachbarskatern etwa? Oder mit der Nanni? Oder mit Frauli?


Die sitzt übrigens in diesem Moment neben mir und inspiziert einen Keks. Mit ihren Röntgenaugen tastet sie jeden Millimeter der kleinen Köstlichkeit ab. Jetzt runzelt sie ihre Stirn, besieht sich den Keks noch eingehender. Und mit so jemanden soll ich mich über zeitgenössische Maler unterhalten? Oder über die Abholzung des Regenwaldes? Hach, ich weiß gar nicht, ob und wann die sich eine Dokumentation im Fernsehen angesehen hat. Heute läuft sicher wieder Bauer sucht Frau bei uns.


„Hanni? Warst du das?“ Frauli zeigt auf einen angebissenen Keks in ihrer Hand. Und vorbei ist der schöne Tag.

„Ich kenne diesen Blick. Du warst es also.“ Na, dann erübrigt sich ja jede Antwort, wenn sie es eh zu wissen glaubt.

„Hier siehst du, die kleinen Gebissspuren? Daran erkenne ich, dass du es warst.“ Oh, fast hätte ich es vergessen, gestern lief ja Tatort mit Professor Börne. Daher weht der Wind. Ich kichere leise in mich hinein.

„Findest du das lustig?“ Anscheinend habe ich laut gekichert. Sofort versuche ich ernst zu schauen. „Dir wird das Lachen schon vergehen, wenn du Bauchweh hast, weil du dauernd Süßes in dich reinstopfst.“ Redet sie jetzt von mir oder von sich selber?

„Wenn wir schon darüber reden …“ Wir? WIR reden? Interessant.

„… hast du beim Drucker herumgespielt? Der spinnt zurzeit total.“ Fragt diese Frau jetzt ernsthaft mich, ihre Katze, ob ich den Drucker verstellt habe? Frechheit. Als ob ich nicht wüsste, wie man damit umgeht!

„Redest du heute nicht mit mir?“ Ich werfe ihr einen beleidigten Blick zu. Bei manchen Themen erübrigt sich jedes Wort.

Na gut, dann schweigen wir halt.“ Frauli legt den Keks, den sie noch immer in der Hand hat, zur Seite.

„Den esse ich auf gar keinen Fall. Wenn du dich schon bei meinen Keksen bedienst, dann lass wenigstens die angeknabberten nicht in meiner Schüssel liegen. Stell dir vor, ich hätte den gegessen!“ Wie bitte? Bin ich etwa giftig? Jetzt auf einmal? Jetzt, nachdem sie schon seit Jahren meine Reste auffuttert? Das trifft mich echt hart.

„Oder machst du das öfters?“ Frauli durchbohrt mich regelrecht mit ihrem Blick. Ich glaube, ich werde rot. Nervös senke ich die Augen.

„Wirst du etwa verlegen? Ha, dass ich das noch erleben darf!“ Mensch, die macht heute ein Theater.


Wortlos springe ich hinüber auf den Couchtisch, zur Fernbedienung des Fernsehers. Ich lege mich auf sie drauf und drücke den Einschaltknopf. Nanni und ich haben am Vormittag Dokus angesehen, der Sender ist also noch eingestellt. Es läuft gerade ein Beitrag über Wölfe. Ich strecke mich entspannt über den ganzen Couchtisch aus, den Kopf lege ich auf die Keksschüssel. Auch die Nanni dreht sich so, dass sie etwas sieht.


„Was zum ...!“ Frauli zieht die Schüssel unter meinem Kopf weg. „Ich hab gar keine Lust auf eine Doku, ich möchte viel lieber eine Komödie anschauen.“ Wir rangeln eine Weile um die Fernbedienung. Schließlich gebe ich seufzend nach.


Nun sitzen wir zu dritt da und gucken eine französische Komödie. Verstehst du jetzt, was ich meine, liebes Tagebuch?

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