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Wenn (k)eine eine Reise tut

„Also wenn du Urlaub hast, dann könnten wir doch gemeinsam wohin fahren, oder?“ Erwartungsvoll sieht mich meine Freundin Caro an.

„Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich ...“

„Nö, dann werden wir endlich einmal deinen Garten auf Vorderfrau bringen, was meinst? Und die Terrasse winterdicht machen“, unterbricht mich Tina.

„Wir arbeiten doch eh das ganze Jahr und Ihr wollt im Urlaub schon wieder arbeiten? Das kann doch nicht Euer Ernst sein!“ Caros Stimme vibriert vor Empörung.

Meine beiden Freundinnen beginnen lautstark über unsere Spätherbst-Urlaubspläne zu streiten. Mir zuzuhören oder auf meine Einwände einzugehen, kommt ihnen dabei überhaupt nicht in den Sinn. Ich weiß, dass sie es nicht böse meinen. Und auch, dass sie nicht wirklich streiten. Aber nervig ist das schon, dieses ständige Getöse vor jedem Kino- oder Restaurantbesuch oder diversen anderen Aktivitäten. Einmal geht’s um die Uhrzeit, dann um das Genre, im Freien dinieren oder doch lieber drinnen sitzen, sich in den Schatten setzen oder die Sonne genießen … Es gibt immer etwas auszudiskutieren.

Wegfahren – das wäre schon was. Irgendwohin wo es ruhig ist und etwas zu erleben gibt. Okay, der Garten und die Terrasse müsste echt in Ordnung gebracht werden, bevor der erste Schnee einsetzt. Vielleicht  könnte ich ja alles miteinander kombinieren? Ein wenig garteln, ab und zu ein Ausflug, tageweise faul sein - schon der Gedanke fühlt sich sehr  verlockend an.

„Vielleicht ginge ja beides?“, fragend sehe ich meine beiden Freundinnen an.

„Wie beides?“, irritiert mustert mich Caro.

„Naja, ich könnte ein wenig in meinem Garten was machen und wir fahren nur ein paar Tage weg. Oder unternehmen hier in der Gegend etwas. Wandern, Badbesuche …“ Um Zustimmung bittend sehe ich zuerst Tina und dann Caro an.

„Ach komm, der Garten läuft dir schon nicht weg.“ Caro schüttelt ungeduldig ihre braunen Locken.

„Wegfahren könnten wir ja wirklich immer noch nachdem wir hier ein wenig für Ordnung gesorgt haben“, versucht Tina mich zu unterstützen.

Heftig beginnen sie wieder darüber zu diskutieren was denn nun besser sei. Zuerst der Garten und dann die Reise oder zuerst die Reise und dann der Garten. Oder nur eines von beiden? Und wie lange und wohin denn, warum so und nicht anders …? Meine Freundinnen scheinen diese ständigen Diskussionen regelrecht zu genießen und absichtlich in die Länge zu ziehen. Mich aber nerven sie nur mehr. Ich will nicht mehr! Ich werde mir selbst etwas überlegen was meinen Urlaub betrifft. Ohne diese beiden Streithansln. Nur, wie bringe ich ihnen das schonend bei? Schließlich sollen sie meine Entscheidung verstehen und nicht bis an unser Lebensende böse auf mich sein. Ich seufze.

„Vertagen wir das Gespräch und die Entscheidung auf das Wochenende?“,  beende ich energischer als ich es mir selbst zugetraut hätte ihr Gekeife.

 

​„Ja,  jeden Tag über 30 Grad. Strahlend blau von morgens bis abends. Jede Menge Palmen, Dattelpalmen, nehm ich an. Braun werden, wer will denn heute noch braun werden? Ach so, nein, es ist nicht so, wie du denkst. Tschüss!“

Ich beende das Gespräch mit einem zufriedenen Grinsen und bemerke aus dem Augenwinkel meine Nachbarin, die mich verwundert ansieht.

„Nicht wundern, Frau Hofer, ich kann`s erklären.“, sage ich und lache dabei fröhlich.

„Jaaa?“, neugierig lehnt sie sich an den Gartenzaun.

„Sie kennen doch Caro und Tina, meine Freundinnen?“

„Jaaaa?“

„Nun, irgendwie glauben die beiden die ganze Zeit am besten zu wissen was gut für mich ist. Nur, mich hat das schon so genervt, ich habe dieses Herumgezanke um meine Person und das ewige über mich hinweg entscheiden nicht mehr ausgehalten. Ich weiß ja, dass sie es gut meinen. Und ich bin ja selber schuld, wenn ich nichts dagegen sage. “ Ich mache eine kurze Pause um Luft zu holen und die nächsten Worte zu überlegen.

„Jaaa?“ Frau Hofer beugt sich noch weiter über den Zaun. Ihr Busen scheint jeden Moment aus ihrem Shirt auf meine Grundstücksseite zu plumpsen.

„Damit ich ein wenig Ruhe hab, hab ich erzählt, dass ich mit meiner Tante Finni verreise.“

„Ach?“ Sie zieht die Augenbrauen hoch. Man könnte meinen, sie gehen direkt in ihren Haaransatz über.

„Ja, die gibt es wirklich und die beiden wissen das. Und die Tante Finni und ich sind jetzt auf Mallorca und verbringen dort ein paar schöne Tage.“

„Aha. Und das glauben die beiden Ihnen?“

„Ja, so habe ich mir zwei Wochen für mich alleine rausgepaukt.“ Selbstzufrieden grinse ich sie an.

„Und wer kümmert sich während Ihres Urlaubs um Ihren Garten und um Ihr Haus? Wollten das die beiden Freundinnen nicht während ihrer Abwesenheit für Sie übernehmen?“

„Doch natürlich. Aber da habe ich meine Mama ins Spiel gebracht. Ich habe einfach erzählt, dass die Mama das unbedingt übernehmen möchte.“ Triumpf liegt in meiner Stimme.

„Und sie haben keine Angst, dass die hier vorbei kommen?“ Ihre Mundwinkel zucken. Macht die sich am Ende lustig über mich?

„Doch, natürlich! Aber auch das habe ich bedacht! Und, welch ein Zufall, die beiden haben durch mich ein Urlaubsschnäppchen im Internet gefunden und verweilen jetzt in diesem Moment, jetzt wo wir so gemütlich hier am Zaun miteinander ratschen, auf Kreta.“ Mit stolzgeschwellter Brust suche ich ihren Blick und erwarte pure Begeisterung ob meines Meisterwerkes an Überlegenheit und Raffinesse.

„Und wieso dieser Aufwand?“ Sie scheint meinen ausgeklügelten Plan nicht zu kapieren. Scheint nicht gerade die Hellste zu sein was taktisches Vorgehen und Planen angeht.

„Na, weil die beiden …“ Ich suche nach den richtigen Worten. „Die eine wollte dies und die andere das, und dann wieder so oder doch lieber anders. Und was ich will wurde gar nicht gefragt.“

„Hätten Sie nicht einfach sagen können, was Ihres ist und damit basta?“

Irritiert sehe ich sie an, beginne zu stottern. „Ja schon. Irgendwie. Vielleicht. Klar. Ja, sicher.“ Sie bringt meine Überlegenheit mit einem Satz ins Wanken.

„Also das hätten Sie aber auch einfacher haben können!“, lächelt sie mich zuckersüß an. „Wenn die Ihnen auf die Schliche kommen. Am besten beichten Sie denen sofort alles. Dann haben die beiden auf Kreta noch ein wenig Zeit um ihre Schwindelei zu verdauen bis sie zurückkommen.“

Also wirklich, diese Hofer versteht aber auch rein gar nix! Wie die bisher durchs Leben gekommen ist ist mir echt ein Rätsel.

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