Liebes Tagebuch,
stell dir vor, die haben vorhin im Fernsehen gesagt, wenn dieses Corona bis Ostern nicht zurückgeht, dann bleibt wieder alles zu. Jetzt stellt sich mir die Frage: betrifft das auch den Osterhasen? Weißt du eigentlich, dass ich den Osterhasen noch nie gesehen hab? Irgendwie hab ich ja Frauli in Verdacht, dass sie der Osterhase ist. Nicht, dass ich sie nicht danach gefragt hätte. Habe ich selbstverständlich. Mehrmals sogar. Wie nicht anders zu erwarten, bestreitet sie das rigoros. „Ich der Osterhase? Also du hast ja Ideen, Hanni. Natürlich siehst du ihn nie. Du siehst ja auch das Christkind nicht und zweifelst nicht an seiner Existenz.“ Frauli tätschelt mein Köpfchen. „Was dir immer so alles einfällt.“ „Findest du es nicht merkwürdig, dass ein Hase Eier legt, sie kocht und bemalt und anschließend den Kindern bringt?“ Das ist doch merkwürdig, findest du nicht auch, liebes Tagebuch? „Warum sollte ich? Das Christkind fliegt ja auch direkt von der Feenwerkstatt zu uns und bringt die Geschenke.“ Wieder tätschelt sie mein Köpfchen. Ich hasse es, wenn sie das macht. Ich glaube, damit will sie mich nur ablenken. Denk du einmal angestrengt nach, wenn dir dauernd eine Hand auf den Schädel herumtatscht. Um endlich dahinterzukommen, wie der Hase läuft (hihi, wie der Hase läuft – das ist gut, oder?), also um die mysteriösen Vorkommnisse aufzudecken, werde ich dem Hasen heuer auflauern. Das wäre doch gelacht, wenn ich den Hoppelhasen nicht auf frischer Tat ertappe! Oder eben auch nicht. Nur, wie soll das gehen, wenn der Hase Ausgangssperre hat? Oder seine Eier-Anmal-Werkstatt Corona-bedingt geschlossen bleibt? Kriegen wir heuer alle unbemalte Eier? Ich trainiere auch schon fleißig. Ich übe länger wach zu bleiben. Bis Ostern muss ich es schaffen bis zum Morgengrauen gegen den Schlaf anzukämpfen. Es wäre furchtbar, wenn ich gerade dann einpenne, wenn das Hoppelvieh bei uns seine Eier versteckt. Und peinlich obendrein. Oder kommt der Osterhase nicht nachts, sondern im Morgengrauen? Sollte ich früher schlafen gehen, um früher munter zu sein? Verflixt, nicht dass ich da was falsch mache. „Nanni, du bist doch eher eine Nachtkatze?“, frage ich vorsichtig meine Möchtegern-Schwester. „Wenn du es sagst.“ „Würdest du mir helfen den Osterhasen als Betrüger zu überführen? Also eigentlich Frauli, die den Osterhasen spielt?“ „Frauli ist der Osterhase?“ Verdutzt sieht mich die doofe Nuss an. „Wer sagt denn so einen Blödsinn.“ „Das ist kein Blödsinn. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass Hasen keine Eier legen? Woher sollte also DER Osterhase die ganzen Eier haben? Es gibt ja nicht einmal eine Frau Osterhase“, belehre ich die Nanni. „Hm, vielleicht will sie lieber im Hintergrund bleiben. Das ist doch oft so bei den Promis.“ Nanni gähnt gelangweilt. „Blödsinn.“ „Nie und nimmer ist Frauli der Osterhase. Das hast du auch beim Christkind behauptet. Und beim Nikolaus.“ „Ja, ich weiß." Beschämt senke ich den Kopf. "Und, was war?" "Ja, sie ist es nicht. Aber dieses Mal bin ich mir fast sicher.“ „Und was hat das jetzt mit meinen nächtlichen Aktivitäten zu tun?“ „Wir könnten uns die Nachtwache aufteilen. Ich würde gerne Frauli oder den Hasen auf frischer Tat ertappen.“ „Okay.“ „Okay?“ „Okay.“ Die doofe Nuss rollt sich ein und fängt sofort an zu schnarchen. „Na dann …“ Das war ja leicht. Jetzt muss ich nur noch einen Schlachtplan entwerfen für unsere Operation Osterhase. Verdammt, dass wird kein leichtes Unterfangen. Vielleicht sollte ich vorher unbedingt neue Mantras einstudieren, um mich mental auf diesen Einsatz einzustimmen. Und meine Yoga-Übungen intensivieren, damit ich körperlich nicht schlapp mache. Agentin Hanni Zatlokal, Nummer 001, meldet sich zum Einsatz. Hihi, das gefällt mir. Auf alle Fälle muss ich Frauli rechtzeitig das Handy stibitzen, um die Geschehnisse fotografisch zu dokumentieren. Kleine Notiz am Rande: unbedingt zu Weihnachten ein eigenes Handy wünschen.
©2019 by Roswitha Zatlokal, Schriftstellerin. Proudly created with Wix.com
Comments