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Weihnachten ohne Hanni

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Liebes Tagebuch,

Frauli sagt, wir fahren zu den Kindern. Wir feiern dort gemeinsam Weihnachten.

Ich freu mich riesig. Die Kinder hab ich echt schon furchtbar lange nicht mehr gesehen. Ob Lisa schon wieder gewachsen ist? Und ob Anna mich die ganze Zeit beschmust und knuddelt?

Aufgeregt tripple ich von einer Pfote auf die andere. Wie lange dauert das denn noch bis wir endlich losfahren? Moment einmal, dachte ich gerade losfahren? Heisst das etwa, Frauli setzt mich in diese furchtbaren Gefängnisbox?

„Nanni, Nanni! Müssen wir in unsere Gefängnisboxen?“ Aufgeregt schüttle die schlafende Nanni ordentlich durch.

„Wieso denn? Ist schon wieder Frühling? Kriegen wir schon wieder unsere Spritze vom Tierarzt?“ Verschlafen schaut sie mich an.

„Nein. Frauli sagt, wir feiern Weihnachten bei den Kindern. Sie hat das vorhin der Omi am Telefon erzählt.“

„Ach, du bist so was von blöd. Damit meint sie doch nicht uns.“ Nanni rollt sich wieder zusammen und schließt ihre Augen um weiter zu dösen.

„Wie, sie meint nicht uns?“ Ich rüttle sie noch ärger als vorhin.

„Na, Frauli fährt mit Omi zu den Kindern. Ohne uns.“

„Nicht dein Ernst.“ Ich fasse es nicht. Die feiern Weihnachten ohne uns? Ohne mich?

„Natürlich. Und jetzt gib Ruh.“

 

Mit vorwurfsvollem Blick setze ich mich vor Frauli auf den Esszimmertisch.

„Was?“ Sie sieht mich fragend an. Ich schweige, glotze sie weiterhin missbilligend an.

„Hanni?“ Also wenn sie nicht von selber draufkommt, was los ist …

Wortlos schubst sie mich zur Seite und liest weiter in ihrer Zeitung. Ich setze mich auf ihr IPad, hindere sie somit am Lesen.

„Was ist los?“ Ein bisserl mehr Feingefühl hätte ich mir schon von ihr erwartet. „Magst du schmusen?“ Ja, das auch.

„Na, komm her, du kleine Nervensäge.“ Nervensäge? Ich? Frechheit!

So sitzen wir nun engumschlungen da, Frauli und ich. Die Nanni irrt sich gewaltig. Also ob Frauli so etwas tun würde. Ohne mich feiern. Pfff! Wie kommt die doofe Nuss nur immer auf solche Sachen? Wenn man so dicke miteinander ist wie Frauli und ich, dann lässt man doch nicht ausgerechnet die Lieblingskatze alleine zu Weihnachten. Die Nanni schon eher. Aber mich?

Ich kuschle mich noch enger an Frauli, schnurre ihr ein Schlaflied vor. Ha, wie hab ich nur glauben können, dass Frauli mich nicht dabei haben möchte!

 

„So, meine Süße. Frauli fährt jetzt zu den Kindern. Brav sein bis ich wieder komme.“ Mein Köpfchen wird getätschelt, mein Ohrwascherl liebevoll lang gezogen und es gibt einen kleinen Schmatz auf die Stirn. Und weg ist sie.

„Nanni?“ Sanft stupse ich die Braungestreifte an.

„Ich hab es dir doch gesagt.“

„Aber ich will auch mit den Kindern Weihnachten feiern.“ Mir ist zum Heulen.

„Und ich hätte gern eine eigene Mäusefarm. Frauli kommt ja wieder. Lass mich endlich schlafen.“ Nanni dreht mir den Popsch zu.

Schweigend lege ich mich neben die Nanni. Und so liegen wir, Popsch an Popsch – natürlich aus Versehen – und warten auf Frauli. Ob sie mir wenigstens was vom Christkind mitbringt?

Ich hab ihr auf alle Fälle einen hübschen kleinen Regenwurm in ihren Hausschuh gelegt. Darüber freut sie sich sicher. Obwohl sie sich so ein tolles Geschenk ja gar nicht verdient hat. Aber heute ist Weihnachten, da will ich einmal nicht so sein.

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