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Ein ganz ein normaler Tag

 

 

​Der Tag hatte böse angefangen. Schon am frühen  Morgen klappte rein gar nichts. Manchmal wird ein Tag, der schlecht begonnen hat, im Laufe der Stunden ja doch noch ganz erträglich. Diesmal wurde er aber immer schlimmer. Und das alles  kurz vor Weihnachten!  Da war nix mit Friede, Freude, Eierkuchen an diesem Tag. Rein gar nix.  â€‹Doch vielleicht erzähle ich der Reihe nach, also von Anfang an. 

 

Nachdem ich bereits unfreiwillig kalt duschen musste (der Installateur sieht sich die Sache im Laufe der Woche an), mein neues Kleid mit Kakao verzierte (die Flecken lassen sie nie wieder zur Gänze entfernen, fürchtete nicht nur die Reinigungsdame) und dann auch noch beim Einparken an diesen kleinen Begrenzungspfosten draufdonnerte (den kleinen Kratzer auf der Stoßstange sieht man nur, wenn man nichts davon weiß, meinte der Mechaniker in der Werkstatt), dachte ich wirklich es könnte mir absolut  nichts mehr passieren. Es heißt doch immer aller guten Dinge sind drei, oder? Ich beschloss also, mir durch solch kleine Missgeschicke meine Weihnachtsstimmung  nicht selbst zu vermiesen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen betragt ich also mein Büro. Ich mache hier und jetzt wahrhaftig kein Tamtam daraus,  dass mein Computer mehrmals abstürzte, wichtige Dateien im Nirwana verschwanden und der EDV-Techniker mich als komplett unfähige Anwenderin hinstellte. Es war auch keine Riesensache, dass mein Handy mich mehr oder weniger ausgrenzte aus seinem Innenleben, weil ich den vermaledeiten Pin-Code drei Mal falsch eingab. Wieso war das übrigens abgeschalten? Also ich war das sicher nicht! Meinem Hirn war einzig und allein der alte Code dermaßen präsent, dass ich beschloss diesen wieder zu aktivieren. Dazu hätte ich allerdings den neuen Code gebraucht. So ein Schmarrn.  Jetzt zeigte mir schon mein Handy die lange Nase. Und wieso, verdammt noch einmal, sind diese Schriftzeichen überall so winzig? Kein Wunder, dass man da nicht mehr durchblickt.

Grummelnd düste ich nach Hause um mit knurrendem Magen in den Tiefen meiner Schreibtischschubladen das Kuvert mit den Codes zu suchen. Ich hätte in diesem Moment für eine Wurstsemmel gemordet. Gerade als ich resigniert meinen Anbieter anrufen wollte, lugte besagtes Kuvert frech zwischen Stromrechnungen und diversen Kassazetteln, die ich aus einem mir unbekanntem Grund aufgehoben hatte, hervor. Gerettet, das Handy konnte wieder in Gang gesetzt werden. Moment, war das jetzt eine 0 oder ein O? Verflixt, ich musste echt aufpassen. Nicht, dass ich mich nochmals aus dem Handy aussperrte . 

Kaum ins Büro zurückgekehrt stürzte eine Kollegin herein und schnatterte mich aufgebracht nieder. Ich hätte aufgrund meiner PC-Abstürze eine mehrseitige Mitteilung nicht einmal sondern fünf Mal an sie verschickt und sie musste jetzt diese löschen. Als sie meines verständnislosen Blickes gewahr wurde, motzte sie mich an,  sie hätte auch noch anderes zu tun als sich nur mit mir zu beschäftigen. Ich gab ihr recht, bekannte mich schuldig in allen Anklagepunkten und entschuldigte mich für den enormen Arbeitsaufwand, den sie durch mich erlitten hatte. Leider beruhigte sie meine Einsicht nicht im Geringsten wie ich aus ihrem wütenden Abgang und der von ihr zugeknallten Bürotür schloss.

Mein Stellvertreter steckte ohne anzuklopfen den Kopf durch die Tür und fragte mich, wo ich den gewesen sei. Es hätte heute mein Lieblingsessen, Scheiterhaufen mit Vanillesoße, in der Kantine gegeben. Da dieser leider aus war, habe er sich erlaubt mir einen Wurstsalat mitzubringen. Echt süß, ich weiß. Nur, ich esse nie Wurstsalat. Ich bin zwar keine ausgewiesene Vegetarierin, aber sehr heikel was Wurst- und Fleischwaren betrifft. Überschwänglich bedankte ich mich und beschloss, mir zumindest das Stück Brot einzuverleiben, welches er ebenfalls für mich erstanden hatte. 

"Gott sei Dank wird auch dieser Tag einmal ein Ende haben!" Dieser Gedanke und die Aussicht auf das Weihnachtsfest mit meiner Familie am übernächsten Tag versöhnten mich ein wenig. 

 

Nach der Arbeit traf ich mich mit meiner Freundin Melanie. Als ich ihr gegenüberstand ging es mir auch tatsächlich gleich besser. Ich erzählte ihr sämtliche Missgeschicke und gemeinsam lachten wir herzlich darüber. 

"Das muss dir einmal alles passieren an einem Tag! Das glaubt einem ja kein Mensch!", kicherte ich.

"Doch, wer dich kennt glaubt das sofort.", antwortete sie. Wie sie das wohl meinte?

Wir bummelten gerade durch die Fußgängerzone als ein hübscher semmelbrauner Labrador auf uns zutrabte. Stolz trug er etwas in seiner Schnauze durch die Gegend. In einiger Entfernung konnten wir sein oder ihr Herrchen wahrnehmen.

"Sieh nur, wie süß! Er trägt sein Spielzeug mit sich herum!" Begeistert stupste ich Melanie an.

"Na komm nur, du Süßer! Ja, was hast du denn da? Hast du dir ein Püppchen mitgenommen? So ein braves und liebes Hundchen!", lockte ich ihn. Er blieb ein Stück vor mir stehen, blickte mich mit seinen großen dunklen Augen neugierig an.

"Na, was hast du denn da? Na, zeig mir dein Püppchen", säuselte ich in meinem besten Babysprachen-Slang. Geruhsam setzte er sich wieder in Bewegung, folgte meiner lockenden Stimme.

"Feines Hundchen, liebes Hundchen", flüsterte ich ihm zu, ging in die Hocke  und streckte meine Hand nach ihm aus. Er erhöhte sein Tempo und lief freudig auf mich zu. Ein großer Sprung vorwärts und schon stand er mit wedelndem Schwanz vor mir.

"Ja was bringst du denn da?", flötete ich ihm entgegen um dann lauthals loszubrüllen "Igitt! Was ist das denn?".

Ungläubig starrte ich auf seine Schnauze.  Nix da, Spielzeug. Der süße Semmelbraune hatte doch tatsächlich eine riesige tote Taube in seinem Maul!

Verdattert sah ich meine Freundin an. "Glaubst du, dass das alles passiert mir heute, damit ich übermorgen in absoluter Ruhe und Stille Weihnachten feiern kann?"

"Sicher, meine Liebe. Du wirst sehen, übermorgen ist alles wieder pipifein. Aber wenn ich dir noch einen kleinen Rat geben darf: Wünsch dir bitte vom Christkind eine Brille. Ich glaube, dann hast du auch weniger Hoppalas." 

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©2019 by Roswitha Zatlokal, Schriftstellerin. Proudly created with Wix.com

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