
Das schönste Weihnachtsgeschenk







„Mama, Mama!“ Mia schreit so laut sie kann. „Mama, Mama!“ Luna stürzt herbei, sieht ihr Baby in diesem komischen Drahtkäfig sitzen. Die nette Frau, die sie bereits seit einiger Zeit füttert, stellte ihn vor ein paar Tagen hier auf. Bisher konnten sie das Futter darin fressen, ohne dass etwas passierte. Warum sitzt ihr Kind also jetzt in diesem Moment gefangen in diesem Käfig? Luna versucht aufgeregt Mia zu befreien. Vergebens. Da, Schritte. Schnell versteckt sich Luna. Sie beobachtet wie die nette Frau am Käfig hantiert.
„Oh, du armes kleines Würmchen. Komm her, ich befreie dich. Wir bringen dich jetzt zu mir nach Hause und rufen den Tierarzt an. Und hoffentlich kommen deine Mama und dein Geschwisterchen auch bald mit zu uns.“
Mia kratzt und beißt, so fest sie kann, wehrt sich verzweifelt. Nein, sie will bei ihrer Mama bleiben. Sie will nicht mit der fremden Menschenfrau mitgehen.
„Mama, Mama!“, schreit sie immer wieder. Aber ihre Mama ist nirgends zu sehen. Mia weiß nicht, dass Luna von ihrem Versteck aus mit klopfendem Herzen zusieht wie die Frau ihre Mia in ein Tuch packt und mitnimmt.
Mia wird noch am selben Tag in eine Gefängnisbox gesetzt und in einem rollenden Zimmer, die Frau nennt es Auto, weggefahren. Sie gehen in ein helles Gebäude. Die Frau setzt sich auf eine Bank und wartet, redet auf Mia mit zuckersüßer Stimme ein. Aber damit kann sie Mia nicht täuschen. Sie ist sicherlich eine ganz böse Frau. Immerhin hat sie sie entführt, von ihrer Mama weggebracht. Mia weint leise.
Schließlich trägt die Frau Mia in einen kleinen Raum, stellt die Box auf einen Tisch und öffnet diese. Eine andere Frau mit freundlichem Gesicht hebt Mia sanft heraus, lächelt. Sie zerrupft ihr das Fell, drückt an ihr herum und hinterlässt ihren Geruch überall an ihr. Sie schaut Mia ins Mäulchen, untersucht ihre Augen, leuchtet ihr in die Ohren hinein.
„Sieht gut aus. Die kleine Maus ist kerngesund. Hoffentlich geht Ihnen das Geschwisterchen und die Mutterkatze auch bald in die Falle. Es wird schön langsam kalt und ungemütlich draußen. Wir impfen die kleine Maus noch und chippen sie, damit jeder weiß wohin sie gehört, und dann sind wir fertig für heute.“
Als Mia im Haus der fremden Frau wieder aus dem Gefängniskorb klettert, versteckt sie sich sofort unter dem Sofa. Wild putzt sie ihr Fell, versucht den Geruch der Fremden wegzulecken so gut es geht. Wenn nur ihre Mama hier wäre. Die hätte es der komischen Frau aber gegeben! Hätte sicherlich mit ihr geschimpft und sie gekratzt, weil sie Mia überall angefasst hat. Leise weint Mia. Sie spürt, wie sie hochgehoben und liebkost wird. „Alles wird gut, du wirst sehen. Deine Mama wird auch bald hier sein.“
***
Am übernächsten Tag – Mia fühlt sich mittlerweile schon ein wenig wohler bei der fremden Frau – bringt diese ihre Schwester Yuki mit nach Hause. Yuki kraxelt sofort hinter die Lehne der Couch und weint.
„Hör auf, du Heulsuse. Ich bin ja da. Hier gibt es dauernd was zu essen und ganz viele Spielsachen. Und die Frau knutscht ganz viel mit mir“, erklärt Mia ihrer Schwester.
„Ich will zu Mama!“, schreit Yuki. „Wo ist Mama?“
„Die kommt sicherlich nach. Oder glaubst du, die lässt uns hier alleine?“ Mia ist sich nicht sicher, ob das auch wirklich stimmt, was sie da sagt. Aber immerhin hört Yuki auf zu weinen. „Und erschrick nicht, die Frau bringt dich zu einer anderen Frau, die dir überall hineinschaut und dich begrapscht. Aber die Frau nimmt dich wieder mit hierher.“
„Ich will zu Mama!“, weint Yuki. „Wer ist diese grässliche Frau? Wo ist Mama?“ Mia schluckt. Am liebsten würde sie jetzt auch weinen. Hoffentlich kommt Mama bald, denkt sie. Aber sie muss ihre kleine Schwester beruhigen. Sie ist schließlich die Ältere, muss auf die Kleine achtgeben. Wie sagt Mama immer? „Du bist mein großes Mädchen, pass auf deine kleine ängstliche Schwester gut auf.“ Und das wird sie auch tun. Sie putzt Yuki übers Fell um sie zu beruhigen. „Alles wird gut, Yuki. Komm, ich zeig dir wo das Futter steht. Und es gibt hier zwei Stellen wo du dein Geschäftchen machen kannst. Da gibt es extra weichen Sand wo du alles vergraben kannst. Und stell dir vor, hier sind viele kleine Mäuse. Aber die sind alle schon tot. Vielleicht denkt die Frau, wir können sie nicht selber fangen, weil wir zu klein dafür sind. Und man kann sie auch gar nicht essen. Komisch, oder? Aber spielen kann man damit. Einen Ball und viele Stinkepolsterl gibt es hier auch. Ich weiß zwar nicht, was ein Stinkepolsterl ist, aber die Frau nennt diese gut riechenden Dinger so. Und die Frau sagt immer, sie wäre das Frauli. Ob das ihr richtiger Name ist? Merkwürdiger Name, oder?“
Schluchzend folgt Yuki ihrer Schwester in die Küche. Zaghaft schnuppert sie an den Futternäpfen. „Mhm, das riecht aber gut.“
„Ja, und es schmeckt herrlich.“
***
Luna sieht wie die Frau auch ihre Yuki einfängt. Sofort schleicht sie ihr nach. Mit bangem Herzen beobachtet sie, wie die Frau ihr Baby ins Haus hinein trägt. Das Haus, wo immer Futter für sie bereit steht.
In so einem Haus wohnte sie auch einmal. Eigentlich war es dort ganz okay. Bis sie eines Tages unerlaubterweise bei der Tür hinausschlüpfte und das Draußen erkundete. Als sie nach ein paar Tagen wieder nach Hause zurückkam, schimpften ihre Leute furchtbar mit ihr. Ganz laut waren sie geworden. Laut und furchterregend. Nach einiger Zeit wurde ihr Bäuchlein dicker und ihr Appetit größer. Ihre Menschen fluchten, schrien sie ständig an. Der Mann sagte zu der Frau: „Die kriegt ja Babys. Weil du nicht aufgepasst hast. Weil du sie hinausgelassen hast. Ich will nicht noch mehr Katzen in meinem Haus haben.“
Die Frau antwortete mit weinerlicher Stimme: „Ich hab dir ja gleich gesagt, wir sollen sie zum Arzt bringen, damit sie keine Babys bekommt. Du hast dir ja unbedingt das Geld für den Arzt sparen wollen. Jetzt haben wir den Salat.“
Plötzlich packte der Mann Luna. „Ich bring sie jetzt weg. Die soll schauen, wie sie weiterkommt.“
Luna wurde ganz weit weg von ihrem Zuhause auf einem Feld ausgesetzt. Ihre Menschen fuhren ohne sie davon, ließen sie mutterseelenalleine in der Fremde zurück. Suchend irrte Luna herum. Sie rief nach ihren Menschen. Bettelte ängstlich bei Fremden um Futter. Ab und zu fing sie eine Maus oder fraß Käfer um etwas in ihren Magen zu bekommen. Irgendwann entdeckte sie einen Schotterplatz und blieb dort. Inmitten von Containern und Bergen von Eisen, riesigen Steinen und allerhand Gerümpel kamen ihre Babys zur Welt. Ständig quälte Luna der Hunger. Sie sehnte sich nach einem weichen Körbchen für ihre Babys. Furchtbar dünn war sie geworden. Ständig plagte sie der Hunger. Das ehemals seidig glänzende Fell war ganz stumpf geworden. Völlig entkräftet versuchte sie ihre Babys so gut sie konnte zu ernähren.
Und dann entdeckte Luna eines Tages durch Zufall die Frau in dem Haus ganz in der Nähe des Schotterplatzes. Laut flehte sie diese an, ihr etwas zum Fressen zu geben. Erschrocken sah die Frau sie an. „Du armes Ding. Wie mager du bist. Warte hier, ich hol dir Futter.“
Die Frau wartete ab diesem Tag jeden Morgen und jeden Abend auf Luna und versorgte sie mit Fressen. Sanft redete sie auf sie ein und lächelte stets freundlich. Irgendwann war sie Luna nachgeschlichen und hatte gesehen, dass Luna nicht alleine war. Dass sie Babys hatte. Und jetzt hatte die Frau einfach ihre Babys zu sich nach Hause mitgenommen.
Zaghaft schleicht Luna zu dem Haus, wird sofort von der netten Frau entdeckt. Rasch bringt sie ihr Futter vor die Tür und fragt: „Möchtest du hereinkommen? Deine Babys sind bei mir. Es geht ihnen gut bei mir. Komm, sieh selbst. Hier ist es warm und es gibt genug zu fressen.“
Neugierig schnuppert Luna an der Wohnungstür. Hineingehen mag sie aber nicht. Wer weiß, was die Frau mit ihr vorhat. Vielleicht fängt sie sie ein und bringt sie weit weg. So wie ihre Menschen damals. Nein, sie will in der Nähe ihrer Kinder bleiben. Hoffentlich sind sie noch da. Sie traut dieser Frau nicht recht, obwohl sie so nett ist. Vielleicht tut sie nur so? Nein, sicherlich nicht. Immerhin füttert sie sie ja jeden Tag. Aber das haben ihre Menschen damals auch getan, sie gefüttert.
***
Mit der Zeit fasst Luna Vertrauen. Sie plaudert mit der Frau, streicheln lässt sie sich jedoch nicht. Und hineingehen ins Haus mag sie schon gar nicht. Bis sie eines Tages ihre kleine Yuki schreien hört. „Mia, du bist so gemein. Hör endlich auf mich zu zwicken.“
„Feige Heulsuse! Feige Heulsuse!“, hört Luna Mia schreien.
Die Frau stellt das vorbereitete Futterschüsserl in den Vorraum des Hauses. „Wenn du magst, kannst du auch herinnen fressen.“
Luna schleicht in Zeitlupe ins Haus, nascht vom Futter und rennt ganz schnell wieder bei der Türe hinaus. Die Frau stellt ihr das Futter ins Freie. „Vielleicht beim nächsten Mal.“ Sie lächelt und schließt die Tür, beobachtet Luna durchs Fenster.
Am nächsten Tag ist die Tür wieder offen. Die Frau wartet bereits auf Luna. „Kommst du heute herein?“ Sie zeigt auf das Futterschüsserl.
Ganz vorsichtig schleicht Luna hinein, sieht wie die Frau die Türe schließt und langsam auf sie zugeht. „Komm her, du arme Maus. Wenn du möchtest kannst du hierbleiben.“ Die Frau hebt sie vorsichtig hoch. Luna lässt es geschehen, schnurrt. Nur leise und ganz zaghaft.
„Schaut einmal, wer hier ist“, sagt die Frau und setzt Luna im Wohnzimmer auf die Couch. Mia und Yuki erstarren mitten im Spiel. “Mama! Mama!“ Sie rennen auf Luna zu. Mama, bleibst du jetzt für immer da?“ Mia kuschelt sich an ihre Mama. Yuki schaut sie ungläubig an. Ihre Mama ist gekommen!
Luna nickt. „Ich hoffe nur, dass die Frau uns nicht wieder hinausschmeißt. Oder uns weh tut.“
Mia ist ganz aufgeregt. Stolz erklärt sie ihrer Mama: „Nö, die ist in Ordnung. Komm, wir zeigen dir wo das Futter steht. Es gibt hier ganz tolle Spielsachen. Und hier gibt es zwei …“
Auch Luna wird zur Tierärztin gebracht. Sie wird ebenfalls gechipt und registriert. Und sie wird auch gleich kastriert, damit sie nicht noch mehr Babys mehr bekommt.
Erst hat sie Angst, dass sie vielleicht nicht wieder zurückgebracht wird zu Mia und Yuki. Als sie jedoch bemerkt, dass die Frau sie wieder mit nach Hause mitnimmt, seufzt sie erleichtert auf. Endlich sind sie in Sicherheit, haben ausreichend Futter und ein warmes weiches Bett. Was kann es Schöneres geben?
***
Am nächsten Morgen steht ein riesiger Baum mit Spielsachen behängt mitten im Wohnzimmer. Mia kraxelt sofort hinauf und Yuki beeilt sich, sie einzuholen. Freudig hüpfen sie von einem Ast zum anderen. Dabei schmeißen sie alles hinunter, was vorher liebevoll vom Christkind an den Ästen befestigt wurde.
„Mädels, das ist unser Christbaum. Das ist kein neuer Kratzbaum. Und nein, da hängt kein Spielzeug für Euch oben. Das ist unser Weihnachtsschmuck. Wenn das das Christkind sieht. Die viele Arbeit, alles umsonst. Ach, seid ihr schlimm. Aber sooo süß. Ich kann Euch gar nicht böse sein. Ich freue mich so sehr, dass sich auf die Fundmeldungen niemand gemeldet hat und ihr bei mir bleiben dürft. Es ist ein richtiges Weihnachtswunder, findet Ihr nicht auch? Ihr seid mein allerliebstes Weihnachtsgeschenk.“ Eine nach der anderen wird vorsichtig vom Baum gehoben und liebkost. Und eine nach der anderen hüpft ganz schnell wieder hinauf auf den Baum und verschwindet zwischen den Zweigen. Luna, die eine Weile ihren Babys zugesehen hat, umschmeichelt die Beine der Frau und klettert hinterher, verschwindet ganz hoch oben im Baum.
Mit Tränen in den Augen schaut die Frau ihnen zu. Sie ist so glücklich, dass sie diesen armen Kätzchen hat helfen können. Morgen wird sie ein Futter-Paket vom Christkind ins Tierheim bringen für die armen Tiere, die noch kein neues Zuhause gefunden haben, aber stets unermüdlich und mit viel Liebe von den Betreuerinnen umsorgt werden.
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