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  • Autorenbildroswithazatlokal

14.08.2020


Liebes Tagebuch,

seit unser wunderschöner blühender Strauch nicht mehr da ist, gefällt mir der Garten überhaupt nicht mehr. Frauli hofft ja, dass er bald nachwächst. Aber ob ich das noch erlebe? Immerhin hat er zwanzig Jahre gebraucht, um der zu sein, der er am Ende war.


Der Nanni ist das alles wurscht. Die wartet schon den ganzen Vormittag ungeduldig auf die frisch gewaschene Auflage für die Liege. Und dass Frauli ihr den Sonnenschirm aufspannt. Hauptsache Schatten! Wie und wodurch, dass ist der Nanni egal. Die würde auch mit einem Blechdach zufrieden sein. So ist sie, meine Möchtegern-Schwester. Schon alleine das ist ein Indiz dafür, dass wir gar nicht miteinander verwandt sein können.


Die war, ist und wird niemals ein Schöngeist. Oder eine Naturliebhaberin. Ob da jetzt Schmetterlinge herumfliegen oder Bienchen summen, Käferl durch die Luft schwirren, … das ist der komplett wurscht. Die denkt nur an ihre blöden Mäuse. Da ist unsereine ja ganz anders. Eben sensibel, kultur- und kunstinteressiert und mit dem nötigen Respekt vor der Natur und ihrer Schönheit ausgestattet.


Ich will meiner empfindlichen Haut heute nicht zu viel Sonne zumuten, bleib daher lieber im Schatten. Auch, weil ich mich noch ein bisserl schonen muss.


Stell dir vor, liebes Tagebuch, gestern war ich Opfer einer Gewaltattacke! Eine terroristische Taube hat mich völlig unerwartet und unmotiviert angegriffen und schwerstens verletzt. Ein Glück, dass ich noch lebe.

Aber glaubst du, da hilft dir wer? Die Nanni hat so getan, als würde sie nichts sehen und Frauli ist wohlweislich vorher weggegangen. Und das, obwohl ich wirklich ihre Hilfe gebraucht hätte.

Wie sie dann endlich heimgekommen ist, hab ich ihr natürlich sofort meine schweren Verletzungen gezeigt. Weißt du, was sie gesagt hat, liebes Tagebuch?

„Ja, Hanni-Puppi, hast du dich gekratzt?“ Gekratzt? Ich mich? Ich ringe mit dem Tod und die redet von einem Kratzer! Ich hätte verbluten können, bei dem gemeinen Attentat. Oder eine Blutvergiftung davontragen können. Oder eine schwere Schädelverletzung. Von gehirnorganischen Schäden ganz abgesehen. Hast du dich gekratzt? Pffft!


Gut, denke ich mir, mein langes seidiges Fell verdeckt vielleicht die Schwere der Verletzung. Also stupse ich Frauli trotz ärgster Schmerzen (und dem Risiko dadurch alles nur noch schlimmer zu machen) Frauli mit dem Kopf an. Sofort krault sie mich, schmust mit mir. Aber das ist ja wohl das Mindeste in dieser Situation.


„Na gut, lass mal sehen.“ Sie schiebt mein fluffiges frischgelecktes Stirnhaar zur Seite. „Hm, außer dem Kratzerl ist nix zu sehen. War das die Nachbarskatze?“ Sie befummelt meine Stirn, mein putziges rosa Näschen. „Fieber hast du keines. Es sieht auch nicht entzündet aus.“

Und? Weil ich nicht glühe wie eine Christbaumkerze und mir das Blut nicht in Strömen runterrinnt ist alles okay?


Oh, mir wird schwindlig. Ein neuerlicher Schwächeanfall. Ich darf mich bei dem Wetter einfach nicht aufregen. Aber wie soll das gehen in diesem Haushalt?

Die eine eine Kunstbanausin, oberflächliche Egoistin und die andere ständig unterwegs, fast schon hartherzig. Du darfst dir jetzt aussuchen, welche von beiden welche ist, liebes Tagebuch. Aber eigentlich passen alle Attribute auf beide meiner Mitbewohnerinnen.


„Komm her, Hanni. Du siehts aus, als hätten dir die Hendln das Brot weggefressen. Komm kuscheln.“ Wir haben Hühner?


Frauli drückt mich an sich. Ich lass es geduldig über mich ergehen. Wenn es ihr Gewissen beruhigt …



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