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  • Autorenbildroswithazatlokal

28.09.2020


Liebes Tagebuch,

ist dir auch schon aufgefallen, dass uns Frauli schon lange nichts mehr vorgelesen hat? Genau. Die vernachlässigt uns, die Nanni und mich, wo`s nur geht. Aber nicht mit mir!


Ich werde wohl ein bisserl nachhelfen müssen, um uns in Erinnerung zu bringen. Ich mein, wie soll man denn entspannt einschlafen, wenn es weder eine Gute-Nacht-Geschichte noch eine Verdauungsgeschichte nach der Jause gibt?


Unsere Bücher hebt Frauli im Kinderzimmer auf. Im Regal, ganz oben. Da komm ich leicht hin. Wetten?


Ojegerl, das ist ja gar nicht so leicht, da raufzuspringen. Ich hätte das wohl besser vor meinem Vormittagssnack machen sollen.


Uff, gerade noch geschafft. Hier heroben ist aber wenig Platz. Sobald ich mich nur ein wenig bewege, plumpst auch schon ein Buch auf den Boden. Das wird wieder ein Gekreische geben, wenn Frauli heimkommt. Vielleicht sollte ich einfach schauen, was unten herumliegt, da erspar ich mir die Sucherei da heroben.


Iiiih, ist das hoch! Hätte ich das gewusst, hätte ich Frauli einfach gesagt, sie soll uns wieder vorlesen. Dann wäre sie da herumgekraxelt und ich unten in Sicherheit. Aber wer hinaufkommt, kommt auch wieder runter. Die Frage ist nur, wie. Oh, die Tür. Frauli.


„Miau!!! Miau!!! Miau!!!“

„Hanni? Wo bist du denn?“

„Miau!!! Miau!!!“ Wozu sich einer Gefahr aussetzen, wenn es auch anders geht? *zwinker*

„Ach du meine Güte! Seit wann sitzt du denn schon da oben? Warte, ich hol mir einen Sessel zum Raufsteigen. Du arme Maus.“

Siehst du, liebes Tagebuch, so macht man das.

„Oh, wolltest du dir ein Buch aussuchen?“ Frauli kichert. „Das war ein Scherz. Katzen lesen ja keine Bücher. Oder?“ Ihre Stimme klingt sehr unsicher. „Mal schauen, was du da ausgesucht hast.“ Sie stöbert in den Büchern am Boden. Bis auf eines stellt sie alle wieder zurück ins Regal. „Wenn deine Schwester heimkommt, lese ich Euch das hier vor.“ Schwester? Welche Schwester? Wie oft soll ich es denn noch sagen, bitte schön: Die Braungestreifte ist nicht mit mir verwandt, die tut nur so.

Eng an Frauli gekuschelt sitzen wir nach dem Nachtmahl auf der Couch. Im Ofen knistert ein Feuer und wohlige Wärme umgibt uns.

„Die kleine Raupe Nimmersatt“, liest Frauli den Titel vor. Nanni stupst mich an und kichert. So eine blöde Kuh aber auch. Je mehr die Raupe frisst, um so lauter gluckst die doofe Nuss.

„Was?“, zische ich ihr zu.

„Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.“ Nanni wiehert mittlerweile wie ein Pferd, hat Schnappatmung und kriegt sich überhaupt nicht mehr ein.

Ich hau ihr eine auf die Schnauze. Sie verstummt sofort, zwickt mich in den Schwanz. Bevor ich reagieren kann, höre ich Frauli sagen: „Seht ihr? Aus dem Kokon schlüpft ein wunderschöner Schmetterling.“

Na bitte. Ich strecke der Nanni die Zunge raus und singe zufrieden: „La-lalala-ätschi-bätsch.“

„Na, dann flieg doch einmal, Pummelchen.“

„Du gemeine …“

„Mädels, was treibt ihr denn? Ich lese Euch nie wieder vor, wenn ihr Euch dauernd boxt.“

Ich deute mit der Pfote erst auf meine und dann auf Nannis Augen. Du weißt, liebes Tagebuch, was das heißt? Genau. Ab jetzt hab ich die doofe Nuss ständig im Blickfeld. Die wird sich noch anschauen.

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