Liebes Tagebuch,
du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sauer ich gestern auf die Nanni gewesen bin. Die hat doch glatt meinen kleinen Schwächeanfall, wegen dem ich fast den ganzen Nachmittag in der Bettzeuglade war, ausgenutzt. Hat sich zuerst bei Frauli eingeschleimt und dann auch noch in dich hineingeschrieben. Einfach so, ohne mich zu fragen. Natürlich hätte ich ihr das niemals erlaubt! Was bildet die dumme Nuss sich eigentlich ein? Na, der hab ich es aber gegeben! Den ganzen Abend hab ich kein Sterbenswörtchen mit ihr geredet, hab sie einfach ignoriert. Die macht so was nicht so bald wieder. Das kannst du mir glauben.
Und weißt du, was die heute gemacht hat? Also wenn du das in einem Film siehst, fühlst du dich verarscht, so unwirklich kommt dir das vor.
Wie du ja weißt, wart ich ja immer schon sehr sehnsüchtig darauf, dass Frauli endlich von der Arbeit heimkommt. Meistens lieg ich im Vorzimmer, damit ich sie ja nur nicht verpasse. Meine Ohren sind antennengleich auf Heimkomm-Geräusche eingestellt, meine Augen fixieren ununterbrochen die Eingangstür, meine Schnurrhaare vibrieren voller Vorfreude. Einfach alles in mir fiebert dem Wiedersehen mit Frauli entgegen.
Und was macht die dumme Nuss währenddessen? Lümmelt im Garten oder auf der Terrasse herum, schert sich einen Dreck um Frauli. Normalerweise.
Heute natürlich setzt die sich einfach so neben mich und wartet mit mir. Ich durchschau sie natürlich sofort. Die will sich doch nur Liebkind machen, die falsche Kröte. Also rücke ich näher zur Tür. Sie rückt mit. Ich tu so, als würde ich mich hinlegen, um noch ein wenig näher an die Haustür zu rutschen. Sie rutscht mit. Ich setze mich kerzengerade auf, also Brust heraus, Kopf hoch erhoben, Pfoten stramm nebeneinander, der Schwanz zeigt kerzengerade nach hinten. Die dumme Nuss kopiert mich. Ich werde grantig, werfe mit giftigen Blicken um mich. Sie grinst frech durch die Gegend. Ich hebe drohend meine Pfote. Sie kichert belustigt. Meine Pfote ist schon im Hinhau-Modus, da durchschießt mich ein Gedanke: Was, wenn sie es darauf anlegt? Wenn sie möchte, dass ich sie verhaue, damit sie mich bei Frauli verpetzen kann? Hm, mal überlegen. Wenn ich sie nicht verletze, also blutig schlage, kann sie mir nix anhaben. Blöd nur, wenn Frauli gerade dann heimkommt, wenn wir uns prügeln. Die Schuldige bin mit Sicherheit wieder ich, nicht die doofe Nuss. Aus zugekniffenen Augen schaue ich zu ihr hinüber. Sie erwidert kühl meinen Blick. Ich fletsche die Zähne. Also die paar, die ich noch habe. Ihr vollständiges Gebiss blendet mich regelrecht als sie mich breit anlächelt. Das macht mich erst recht wütend und ich brülle mehr als ich fauche mitten in ihr blödes Gesicht.
Plötzlich geht die Tür geht auf, Frauli sieht uns nebeneinander sitzend auf sie warten. Voller Freude ob dieser Harmonie sprudelt es aus ihr heraus: „Ja, da sind ja meine Puppis. So brav seid ihr? Habt ihr schon auf mich gewartet? Habt ihr Hunger?“
Na, warte, du Luder, denk ich mir und boxe Nanni leicht in die Seite, drück Frauli lauter Küsschen auf ihre ausgestreckte Hand. Nanni schnurrt wie eine Rennmaschine, umschmeichelt ihre Beine. Ich singe Frauli ein Begrüßungslied. Nanni schmiert Frauli ihre dreckige Nase ins Gesicht. Ich hebe die Pfote und stupse Frauli an. Nanni wickelt ihren Schweif um Fraulis Fuß. Da sich Frauli gerade zu unseren Futterschüsseln hinunterbückt, springe ich ihr auf den Rücken und schnurre ihr ins Ohr. Nanni zupft an Fraulis Zehe. Ich …
„Kinder, was ist denn los mit Euch?“ Verdutzt sieht uns Frauli an. Ist das hier ein Wettkampf?“ Ha, wenn die wüsste. Ich klettere von ihr runter, umschmuse ihren linken Fuß, der rechte ist von Nanni belegt.
„Schluss jetzt, ihr zwei Racker.“ Frauli lacht laut auf. „Habt ihr etwas angestellt?“ Kichernd geht sie nach oben. Sicher zieht sie sich jetzt um. Nanni und ich schauen uns an, springen gleichzeitig hoch und sausen die Treppe hinauf. Kaum haben wir Frauli eingeholt, schmiert ihr die falsche Nudel auch schon kleine Küsschen auf die Hand. Ich schmeiße mich quer übers Bett und plappere drauf los. Nanni zwickt mich in den Schwanz und strubbelt Frauli durchs Haar.
„Aus, ihr zwei! Keine Ahnung, was heute mit Euch los ist. Aber jetzt ist Schluss damit. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch zu mir auf die Bank setzen. Aber ihr gebt ab sofort Ruhe.“
Ich zeige Nanni die Zunge, die gibt mir einen Klaps auf den Kopf. Dann rennen wir beide los, hinunter ins Wohnzimmer und schmeißen uns auf die Couch. Gemeinsam warten wir auf Frauli.
„Ich setz mich jetzt in die Mitte und ich will keinen Mucks von Euch beiden hören. Haben wir uns verstanden?“ Streng sieht uns Frauli an. Unschuldig erwidern wir ihren Blick. Kaum nimmt Frauli die Zeitung in die Hand, spüre ich Nannis Pfote auf der meinen. Na warte, jetzt aber …
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