Liebes Tagebuch,
Frauli hat uns schon wieder einmal alleine gelassen. Von Aufsichtspflicht keine Spur. Verantwortungslos. Äußerst verantwortungslos.
Jetzt sitz ich hier mit der doofen Nuss herum und muss mir deren dämliches Gesicht die ganze Zeit anschauen. Warum geht die nicht strawanzen, wie sonst auch immer? Nur weil es draußen schüttet, bleibt sie daheim? So ein Weichei aber auch. Pfff!
Schau einmal, wie falsch die tut. Liegt da und schläft die ganze Zeit. Macht ein zufriedenes Gesicht. Wer`s glaubt!
Plötzlich klopft jemand gegen die Scheibe der Terrassentür. Ich erschreck, saus wie ein Blitz die Stufen hinauf und spring in mein „Safe House“. Kennst du den Ausdruck, liebes Tagebuch? Die Agenten haben immer so ein sicheres Haus, wo sie unterschlupfen, wenn sie sich vor Feinden verstecken müssen. Und meine Bettzeuglade ist mein „Safe House“. Cool, oder?
Ich versteck mich unter meiner Schmusedecke und hoffe, dass ich nichts höre. Weil, wenn ich etwas hören würde, dann wäre ja der Einbrecher im Haus. Und wenn ich nix höre, dann ist der noch draußen.
Natürlich höre ich etwas, nämlich die Katzenklappe. Mein Herz wummert so sehr, dass ich Angst habe, ich bekomm jeden Moment einen Herzinfarkt. Ich muss Frauli unbedingt bitten, dass sie uns so ein Defi-Dings besorgt. Du weißt schon, das Gerät, das jetzt ständig beworben wird. Angeblich stirbt man weniger, wenn so ein - ich schlag es schnell nach … ha, gefunden – wenn so ein Defibrillator eingesetzt wird. Und so etwas haben wir nicht. Dabei gehört das doch in jeden gut bestückten Haushalt. Wenn ich jetzt hier in meiner Lade echte Herzprobleme bekäme, könnte mich Frauli - vorausgesetzt sie ist da, wenn man sie braucht – retten.
Aber gut, wir haben das Ding nicht und ich muss schauen, dass ich auch so überlebe. Nachdem sich unten nix tut, schleiche ich mich hinaus ins Vorzimmer. Nix. Langsam gleite ich die Treppe hinunter. Nix. Ich schaue um die Kurve ins Wohnzimmer. Nix. Puh, meine Nerven halten diese Anspannung nicht mehr lange aus.
Ob der Einbrecher in der Küche bei meiner Futterschüssel ist? Ich hätte doch aufessen sollen.
Vorsichtig schleiche ich zur Küchentür, blinzle ums Eck. Nix. Mann, das gibt es doch nicht! Da höre ich jemanden kichern. Hm, vielleicht ein Ablenkungsmanöver. Weil, wo gekichert wird, vermutet man ja keinen Feind. Aber nicht mit mir. Da muss der Einbrecher schon früher aufstehen.
Ich pirsche mich vorsichtig an, so wie es uns unsere Mama gelernt hat. Mein Bauch schleift über den Fußboden, so pirsche ich. Mein Schwanz zittert vor Aufregung wild durch die Gegend, meine Schnurrhaare stehen kerzengerade vom Kopf ab. Mein ganzer Körper ist hochkonzentriert. Mein kleines Katzenherz klopft wie wild gegen den Fußboden (zur Erinnerung: ich bin auf der Pirsch und gleite deswegen elegant bäuchlings dahin).
Und da sehe ich sie! Die doofe Nuss und eine riesige graue Maus. Oh,es ist der Maximilian. Jetzt hab ich den gar nicht erkannt, so waschelnass wie der ist. Es regnet noch immer in Strömen. Lässig lehnt er sich gegen unseren Gartensessel. Die Nanni kichert bei jedem Maunzer, den er macht und wippt nervös von einem Fuß auf den anderen.
„Oh, Hanni, sieh nur, wer da ist.“ Ihre Stimme ist fast ein wenig zu laut. Was zum Teufel spielt sich hier ab? „Der Maxi ist da, um sich zu entschuldigen. Er hat dem Dominik ordentlich eine auf die Schnauze gegeben, weil er mich gejagt hat. Ist das nicht süß?“ Sehr süß. „Und der Dominik kommt demnächst auch vorbei, um sich mit mir auszusprechen.“
„Aber in meiner Begleitung, meine Liebe. Alleine hat der hier nichts verloren. Das habe ich ihm auch gesagt“, säuselt der Graugetigerte der Braungetigerten ins Ohr. Mir wird schlecht bei dem Getue.
„Sie nur, Hanni, es gibt sogar Geschenke.“ Jetzt sehe ich erst die Maus, auf deren Schwanz Maximilian steht, damit sie nicht entwischen kann. Die Maus quiekt. Das arme Ding tut mir leid.
„Soll ich sie mit hinein nehmen?“, biete ich freundlich an.
„Okay.“ Maximilian lächelt mir aufmunternd zu.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute …“, setzt Nanni an. Aber da ist es schon zu spät.
Ich schnapp mir die Maus und tu so, als würde ich sie reintragen. Kurz vor der Katzenklappe lasse ich sie mit einem „Aua!“ fallen. „Habt Ihr so etwas schon einmal erlebt, die hat mich gezwickt“, flunkere ich.
Maximilian, ganz Kater, will sich auf sie stürzen. Ich remple die kleine Maus an und sie fliegt in hohem Bogen ins Gras.
„Hanni!“ Die doofe Nuss sieht mich strafend an. „War das Absicht?“
„Nö.“
„Na, so etwas kann ja einmal passieren. Ich würde ihr ja hinterherjagen, aber ich bleibe doch lieber hier bei Euch.“ Maximilian grinst die Nanni verliebt an. Ich spüre, wie mir schon wieder schlecht wird.
„Ich geh wieder hinein, hier ist es mir zu kalt und zu nass.“
„Hanni, Nanni! Wo seid ihr denn?“ Ah, Madam kommt heim. Na, da schau ich aber. „Oh, da bist du ja, Hanni. Ich hab Euch etwas mitgebracht. Die Omi bedauert, dass sie nur eines hat und ihr doch zu zweit seid. Aber ich hab ihr gesagt, ihr teilt Euch Euer Spielzeug.“ Sie streckt mir einen Stoffhund entgegen. „Wo ist denn die Nanni? Oh, da draußen mit ihrem Galan. Sollen wir warten, bis sie hereinkommt?“ Sicher nicht.
Frauli setzt sich auf die Couch, den Stoffhund in der Hand. Und? Krieg ich ihn jetzt oder nicht? Sie macht keine Anstalten. Hallo? Hat Omi das dir geschenkt oder uns? Ich zupfe an dem Hundeschwanz. „Gleich, Hanni. Wir warten auf die Nanni.“ Nö, die hat eh ihren Maxi. Ich setzte meine Krallen ein, ziehe fest an dem Hund.
„Hanni!!!“
„Gib her!“, schreie ich so laut ich kann. „Den hat Omi mir geschenkt und nicht dir!“ Vor Schreck lässt Frauli den Hund fallen. Na, geht doch. Immer diese Diskussionen.
Seither liegt Frauli oben auf dem Bett und weigert sich runter zu kommen. Soll mir auch recht sein, solange sie mir mein Nachtmahl herrichtet.
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