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  • Autorenbildroswithazatlokal

22.05.2020

Aktualisiert: 23. Mai 2020



Liebes Tagebuch,

ich bin böse mit der Nanni. Die ist immer so gemein zu mir. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich mit der manchmal mitmache.

Es hat heute ein bisserl geregnet und ich freu mich total deswegen. Viel Regen ist nicht so gut. Aber ein bisserl ist super. Weil, wenn es zu viel regnet, werde ich klatschnass und das mag ich gar nicht so gern. Da geh ich erst raus, wenn es aufhört. Zu regnen, meine ich. Dann ist zwar draußen alles nass, aber nur von unten her. Verstehst du das? Oben werde ich dann nicht nass. Außer, wenn ich unter einem Strauch durchschlüpfe. Dann schon. Oder wenn das Gras so hoch ist, dass es über mir zusammenpatscht, wenn ich durchkrieche. Dann bin ich total nass und muss mich von Frauli abtrocknen lassen. Weil, wir mögen das beide nicht, wenn die Wassertropfen so an mir herunterrinnen. Da verkühlt man sich auch total leicht, sagt Frauli.

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich weiß es wieder. Es hat ein klein wenig geregnet. Ich also raus auf die Terrasse. Da ist es super, da kannst du vom Trockenen aus alles beobachten. Du darfst dich nur nicht zu weit rauslehnen. Weil wenn du dich zu weit vorbeugst, hast du kein Dach mehr über dem Kopf und dann kann es dir passieren, dass es von oben runtertropft. Das ist irgendwie sehr unangenehm.

Ich fixiere also vorsichtig, und darauf bedacht nicht nass zu werden, das schmale Rosenrabattl vor der Terrasse. Frauli nennt das so. Was das genau ist, kann ich dir leider nicht erklären. Ein Streifen Erde mit stacheligen Blumen drin. Und dann kommt die Wiese. Oder was Frauli halt Wiese nennt *schmunzel*. Da steh ich also und warte, ob sich was tut. Was sich denn tun könnte, fragst du? Na, eine Menge. Da könnte zum Beispiel ein Käfer krabbeln. Oder – und jetzt kommts – eines dieser komischen dünnen, langen Dinger. Würmer nennt man die. Und immer, wenn es draußen nass ist, kommen die heraus aus der Erde. Frauli nennt sie Regenwurm. Was ja Sinn macht. Weil es ja ein Wurm ist, der den Regen mag. Hast du so weit alles verstanden, liebes Tagebuch? Gut. Ich sitze also da und warte. Warte endlos lange. Irgendwann, ich will gerade aufgeben, bewegt sich die Erde. Ein kleiner winziger Erdhaufen bildet sich und heraus schaut ein Wurmkopf. So mini, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ich lass ihm noch ein bisserl Zeit zum Rausbuddeln. Und dann schlage ich zu. Ich nehm ihn vorsichtig in den Mund und trag ihn stolz ins Wohnzimmer.

Und da sitzt die Nanni. Sie sieht mich mit dem Regenwurm im Maul und fängt fürchterlich zum Kichern an. Triumphierend zeigt sie auf ihre Beute auf dem Vorzimmerteppich. Da liegt eine tote, klatschnasse Maus auf Fraulis Teppich. Na und? Das ist doch nix Besonderes. Auf alle fälle, kriegt sich die Nanni gar nimmer ein. Sie zeigt auf meinen kleinen Wurm und kugelt sich vor Lachen. So eine gemeine, blöde Kuh.

Vor Kummer lass ich meinen Wurm fallen und versteck mich. Zuerst will ich ja in meine Bettzeuglade, aber die blöde Nanni verstellt mir den Weg zur Stiege. Und so kriech ich hinter den Vorhang im Wohnzimmer und warte darauf, dass Frauli heimkommt.

„Ja, Nanni-Puppi, was hast du denn da? Eine Maus? Ja, so eine brave Miezekatze“, hör ich Frauli auch schon. „Oh, und das da?“ Stille. Vorsichtig schleiche ich hinaus. Frauli steht vor meinem Wurm, der sich lustig kringelt. Ich stell mich neben Frauli, umschnurre ihre Beine. „Oh, die Hanni hat einen Wurm gegangen. Na so was aber auch. So eine brave Miezekatze.“ Sie tätschelt mir das Köpfchen. „Schau einmal, der lebt sogar noch. Den bringt Frauli hinaus.“ Sie kehrt ihn vorsichtig auf die Mistschaufel und trägt ihn vorne hinaus in den Vorgarten. „So brave Mädchen hat Frauli. Zwei so großartige Jägerinnen.“ Sie streichelt uns beide. Ich platze beinahe vor Stolz. Frauli hat sofort erkannt, dass man zum Regenwurmfangen eine gewisse Fertigkeit braucht. Und viel Zeit und Geduld. Ich strecke Nanni die Zunge raus und die schickt mir doch glatt ein Küsschen. Weisst eh, so eines, was man schickt, wenn man jemanden – wie heisst das doch gleich – verarscht. Genau verarscht. Das war letztens in einem Film so. Die haben sich gegenseitig andauernd verarscht, so viele Küsschen haben die sich geschickt. Ich schick der Nanni eines zurück und leg mich hinaus auf die Terrasse. Wer ja gelacht, wenn das für heute der einzige Regenwurm bliebe, den ich finde.

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