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21.06.2020

Autorenbild: roswithazatlokalroswithazatlokal

Liebes Tagebuch,


ich weiß gar nicht, was ich heute in dich hineinschreiben soll. Weil, es ist nix passiert.


Außer, dass sich die Nanni einen Vogel gefangen und mit nach Hause gebracht hat. Na, das hättest erleben sollen. Das war lustig.


Also, die Nanni kommt mit dem Vogel im Mäulchen mit Riesenschritten reingehuscht ins Wohnzimmer. Rennt an Frauli vorbei und schnurstracks in die Küche. So sieht Frauli nicht, dass wir einen Gast haben.


Frauli liest ihre Zeitung. Nichtsahnend. Dann, ein Gerumpel. Ich merke, wie Frauli stutzt. Daraufhin wieder Stille. Frauli liest weiter. Nochmals Gerumpel. Frauli legt ihr IPad zur Seite. Lauscht. Komische Geräusche aus der Küche. Ich tu so, als würde ich nichts mitbekommen. Das muss die Nanni jetzt alleine ausbaden, denk ich mir und freu mich auch schon auf das Theater, das gleich los geht.


Frauli geht hinaus in die Küche. Ich gehe mit. Man will dann ja doch nichts verpassen.

Nanni sitzt mitten in der Küche, ihr Schwanz peitscht den Boden aus, die Ohren zittern, ihr Körper bebt, der Blick ist steil nach oben gerichtet.

Hoch droben auf einem Küchenkastel sitzt ein kleiner Piepmatz. Er schaut aus wie abgelutscht und wieder ausgespuckt. Was er wahrscheinlich auch ist.


„Nanni, was haben wir denn da?“ Frauli zeigt nach oben. Kennt sie keinen Vogel? Diese Menschen sind echt komisch. Nanni wirkt verärgert. Sobald Frauli auf der Bildfläche erscheint, heißt das Beute ade. Das wissen wir mittlerweile beide nur zu gut.


Das Vöglein flattert über Fraulis Kopf hinweg, Nanni springt in die Luft, landet auf der Abwasch. Der Vogel setzt sich hoch droben auf die Lampe, piepst aufgeregt herunter. Frauli reißt das Küchenfenster auf und redet auf den Vogel ein: „Komm, flieg hinaus. Schau einmal, da geht es hinaus. Na, kommt nur, trau dich.“ Die glaubt echt, der Vogel versteht sie!


Der Piepmatz flattert zum Fenster, dreht kurz davor wieder um, setzt sich wieder auf seinen Platz hoch droben über unseren Köpfen. Nanni ist total aus dem Häuschen. Frauli auch. Ich nicht.

„Komm nur, da geht es hinaus.“ Frauli zeigt zum Fenster. Sie schaut aus wie ein Fluglotse, der einen Hubschrauber einweist, so wie sie mit den Armen herumfuchtelt. Das hab ich letztens in einem Krimi gesehen.


„Ha, wir gehen hinaus, dann fliegt er wahrscheinlich weg.“ Frauli schnappt die strampelnde Nanni und trägt sie aus der Küche. Mich lässt sie sitzen. Komisch.


Der Vogel stutzt. Er schaut mich an. Ich schaue ihn an. Er kackt herunter, verfehlt mich nur knapp. Bevor ich mit ihm schimpfen kann zwitschert er belustigt herunter. Na warte! Ich fauche hinauf, so laut ich kann.

Frauli steckt den Kopf bei der Tür herein. „Ist er schon weg, Hanni?“ Im selben Moment flattert der Piepmatz beim Fenster hinaus. „Oh, bravo, kleiner Vogel!“ Frauli klatscht begeistert in die Hände, wobei ihr die Nanni auf den Boden plumpst. „Oh, entschuldige, Nanni.“ Frauli kichert. Die Nanni scheint alles andere als amüsiert zu sein, soweit ich das beurteilen kann. „Schau einmal, Nanni, kriegst ein Wursti. Das ist viel besser als ein Vogerl.“


Ich sehe der Nanni an, dass sie noch total sauer auf Frauli ist. Beim Anblick der Wurst entspannt sich ihr Gesicht jedoch und sie umschmust schnurrend Fraulis Beine. Ha, die ist aber leicht um den Finger zu wickeln. Da hätte Frauli bei mir keine Chance. Wenn ich vieles bin, aber bestechlich bin ich nicht.

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