Liebes Tagebuch!
Frauli und ich knotzen jeden Tag langmächtig im Bett herum, wir haben ja noch immer unser ur-langes Wochenende, auch Urlaub genannt. Mir gefällt das supergut. Das mit dem Bett-knotzen und Liege-knotzen und Couch-knotzen meine ich.
Diese ständige totale Überwachung hingegen, was meine Essgewohnheiten angeht, bräuchte ich allerdings nicht.
Wir stehen nur auf, um aufs Klo zu gehen - wir machen ja alles gemeinsam, sind wir doch die besten Freundinnen – und liegen nun mit unserem Tee zeitunglesend im Bett. Gerade als wir beim Sudoku anlangen, kommt die doofe Nuss daher. Steht vor dem Bett und schaut blöd. Springt frech aufs Bett und macht sich auch noch zusätzlich bemerkbar, indem sie einen ihrer heißeren Krächzer aus ihrem schmallippigen Katzenmund herauspresst. Frauli springt natürlich sofort an. Ich versuche das Unheil abzuwenden, indem ich der blöden Kuh eine drüberwische. Normalerweise zischt sie dann gleich ab. Heute nicht.
„Ja, Nanni, was ist denn?“ Frauli beschmust und streichelt die doofe Nuss als läge sie im Sterben. Mit weidwundem Blick schaut die Braungetigerte Frauli an. Ihre Glubschaugen weit aufgerissen, die Schnurrhaare zittrig, die Ohren theatralisch geknickt. Das ist so eine Schauspielerin, ich pack das grad gar nicht. So ein Luder aber auch. „Nanni, du bist ja ganz fertig, lass einmal schauen.“ Die gestreifte Nudel schmeißt sich an mein Frauli ran, krächzt kläglich. „Oh, da hast du ja einen gewaltigen Kratzer! War das der böse Nachbarskater? Armes Puppi!“ Gewaltiger Kratzer? Dass ich nicht lache! Meine Verletzung war gewaltig, aber das hier …
Okay, eine Kratzspur geht von der Braue quer bis zur Nase. Aber sie deswegen gewaltig zu nennen. Und sie blutet nicht einmal, meine angebliche Schwester.
„Oh, da ist ja sogar dein Fell blutig. Du armes Mausi.“ Pfff! War ja klar, dass das jetzt kommt. Frauli hat irgendwo einen kleinen Blutstropfen entdeckt und schon verblutet die Nanni.
Das falsche Luder liegt mittlerweile leidend quer übers Bett ausgestreckt. Eng an Frauli gekuschelt klammert sie sich mit ihren Vorderpfoten an deren Hand fest. Mit der freien Hand krault Frauli die Heuchlerin unentwegt. Der blanke Hohn ist dieses Bild, welches die zwei Darstellerinnen hier abgeben. Direkt Oscarreif.
„So ein böser Kater aber auch. Musstest du unseren Garten verteidigen?“ Ich höre wohl nicht recht. Garten verteidigen! Befinden wir uns etwa im Krieg? Oder bei der Mafia? Also mir reicht es. Beleidigt verziehe ich mich hinunter in den Garten. Na bitte, kein Schwein da. Und ein Kater schon gar nicht.
„Grrrr!!!“, ertönt es von hinten links. Ein kurzer Blick über meine Schulter bestätigt meine Befürchtung. Der Nachbarkater! Zaghaft gurre ich zurück. Nicht zu viel, ich will ihn ja nicht reizen. Nur so viel, dass er bemerkt, ich widerstehe seiner Drohgebärde, zeige keine Angst, stehe meine Frau. Innerlich scheppere ich wie ein Kluppensackel (das sagt die Omi immer, wenn ihr kalt ist).
Bedrohlich kommt der dicke Rote auf mich zu. Quietschend möchte ich ihm ausweichen, wieder zurück ins Haus laufen. Er schneidet mir den Weg ab. Laut schreie ich um Hilfe. Hektisch versuche ich ihn irgendwie zu umgehen, ihm zu entkommen. Der Kerl ist riesig. Der macht sich regelrecht einen Spaß daraus, mich zu quälen. Je panischer ich werde umso amüsierter wirkt er.
Mit einem Mal saust ein braungestreifter Fellball durch die Terrassentür, stürzt sich auf den Eindringling. Nanni! Mehr fliegt sie als sie rennt. Sie schlägt laut schreiend ihre Krallen in seinen Rücken. Hinter ihr stürzt Frauli in den Garten. Sie klatscht laut in die Hände, schreit: „Verschwinde Miezekater!“
Der Rote erschrickt, schüttelt die Nanni wie eine lästige Fliege ab und zischt ab wie eine Rakete. Am Ende des Gartens bleibt er stehen, dreht sich gemächlich um und schaut uns mit stoischer Miene an.
Fürchtet er sich? Oder ist er eher amüsiert über die drei Weiber, die ihn gemeinsam hinauskomplimentieren aus ihrem Garten? Fasst wirkt es so, als würde er uns winken, bevor er durch das Gartentür hinausschlüpft.
„Puh, Mädels, das haben wir aber gut gemacht, oder?“ Zufrieden grinst uns Frauli an. „Kommt, ich gebe eine Runde Milch aus.“
Hach, ist das nicht schön? So eingebettet zu sein in eine Familie, die zusammenhält? Obwohl ich mir ja noch immer nicht sicher bin, ob die getigerte Miezekatze, die hier mit mir zusammenlebt, wirklich zur Familie gehört, meine Schwester ist. Aber sie bemüht sich immerhin.
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