Liebes Tagebuch,
ICH darf nicht auf den Tisch, sagt Frauli. ICH darf auch nicht beim Kochen helfen. Und ICH darf nicht auf Augenhöhe mit Frauli meine Mahlzeiten einnehmen. Meine Möchtegern-Schwester darf das ALLES. Die hockt am Tisch, knotzt am Küchenkastl, steckt sogar ihren Kopf in den Kühlschrank!
In der Eile hab ich kein Beweisfoto von der blöden Kuh gefunden. Ich zeig dir stattdessen einige Bilder von mir. Ich bin sowieso fotogener. Das sind Fotos, die belegen, was mir hier alles verboten wird. Es gäbe ja noch mehr davon, aber dafür ist hier nicht genug Platz.
Schau! Jetzt in diesem Moment sitzt die doofe Nuss auf dem Küchenkastl und schmust die Kühlschranktür ab. Pfui, die mag unsereiner ja gar nimmer angreifen, so grauslich ist das. Und wie die blöde Kuh gurrt und maunzt! Man könnte meinen, sie liegt im Sterben.
„Ja, Nanni-Puppi, was ist denn? Magst du vielleicht ein Schälchen Milch?“ Frauli flötet melodisch ihr Angebot Richtung Nanni, reißt dabei schwungvoll die Kühlschranktür auf. Beide, Nanni und Frauli, stecken ihre Köpfe in den Kühlschrank. Na, wo wird die Milch schon stehen? In der Kühlschranktür, wo sie immer steht. Pfff!
Einem Zaubertrick gleich befindet sich urplötzlich eine kleine Schüssel in Fraulis Hand, die sie vor der Braungestreiften hinstellt. Also nicht auf den Boden, selbstverständlich nicht! Das gnädige Fräulein hockt noch immer AUF dem Küchenkastl. Mit der anderen Hand schnappt sich Frauli das Milchpackerl und schwuppdiwupp füllt sich die Glasschale vor Nanni mit leckerer Milch. Gierig hält die doofe Nuss ihren Kopf unter den Milchstrahl und beginnt zu trinken.
„Hahaha! Schau nur, jetzt bist du ganz milchig im Gesicht.“ Frauli kichert und tätschelt Nanni liebevoll das Köpfchen.
Ich kann mir das nicht länger anschauen, hüpfe hoch und … lande mitten in der Obstschale.
„Hanni!!!“ Mann, das war ja keine Absicht. „Raus aus dem Obst.“ Ja, ich steh eh nicht so drauf. „Was machst du denn schon wieder? Du hast doch gerade ein Leckerli bekommen.“ Ich? Nein, das war ich nicht. Da schlüpft wer heimlich in meine Rolle.
„Okay, du kannst auch von der Milch trinken.“ Frauli nimmt die Milchschüssel und stellt sie auf den Boden. Verdattert bleibe ich sitzen. Ist das ihr Ernst? Ich soll hinuntergehen zum Trinken? Und ich soll aus der Schüssel trinken, aus der die Getigerte getrunken hat? Meine Zuckerschnauze da hineinstecken, wo ihre Gartenschnauze noch herumgeschlabbert hat? Nein, nie und nimmer mach ich das!
„Oh, du magst keine Milch? Na, vielleicht später.“ Frauli drückt mir einen Schmatz auf die Nase und entschwindet. Spinnt die? Geht man so mit seiner Lieblingskatze um? Ich bin echt fassungslos. Aber jetzt siehst du einmal, liebes Tagebuch, wie ich hier behandelt werde. Wie eine Bettlerin muss ich vom Fußboden essen. Kriege die Reste, die von der anderen Katze übrig bleiben. Da hatte es ja direkt Aschenbuttel noch schöner. Die hatte wenigstens die Tauben. Geknickt verdrück ich mich in der Bettzeuglade.
„Hanni, bist du krank?“ Frauli guckt herein. „Du warst nicht einmal beim Nachtmahl. Es gibt heute Rind, das magst du doch so gerne.“ Beleidigt drehe ich mich weg, zeig ihr mein Hinterteil. „Hm, dann muss ich deine Portion dem Igel draußen geben. Wäre doch echt schade drum.“ WAS? Dem Igel? Nie und nimmer! Elegant springe ich aus der Bettzeuglade, verhasple mich mit der Hinterhaxe in meiner Schmusedecke und knalle mit voller Wucht auf Fraulis Fuß. Nicht schon wieder! Ich seufze.
„Oh, das hat jetzt sicher weh getan.“ Frauli hebt mich hoch, drückt mich eng an sich. „Also eines sag ich dir gleich: Meine Krücken kriegst du nicht.“ Wir kichern beide. Ach, mein Frauli.
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