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05.12.2020

Autorenbild: roswithazatlokalroswithazatlokal

Liebes Tagebuch,

Frauli hat so ein schlechtes Gewissen wegen gestern, dass sie uns heute wieder einmal vorliest. Sie hat das Buch „Die Geggis“ von Mira Lobe in der Hand und grinst uns erwartungsvoll an.

Da geht es um die grünen Sumpfgeggis und die roten Felsgeggis. Die sind furchtbar verfeindet. Ohne Grund, denn die haben ja überhaupt keinen Kontakt zueinander. Und trotzdem denken sie schlecht vom jeweils anderen. Bis sich endlich einmal zwei zufällig treffen.

„Du bist ein stinkiger, sumpfiger Gatschler. Ein hässlicher, grässlicher, schlammiger Watschler!“

„Und du bist ein ekeliger Klettermaxler, ein grauslicher, scheußlicher Schluchtenhaxler!“


Ich finde das Buch voll lustig. Was die alles zueinander sagen. Hihi, das muss einem einmal einfallen. Frauli sagt, es geht hier nicht darum, neue Schimpfwörter zu lernen. Es geht um Vorurteile, die man oft hat, ohne den anderen zu kennen. Und wie ungerecht das oft ist. Trotzdem ist das Schimpfen lustig.


Also, wenn du mich fragst, ich hab ja nie Vorurteile. Nicht einmal gegen die doofe Nuss. Im Gegenteil. Das sind alles gelebte Fakten. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Dass ihr die nicht immer gefällt, dafür kann doch ich nix. Die Leidtragende bei dem Ganzen, das bin ja ich. Ich muss mich doch Tag für Tag mit diesem Wahnsinn hier abgeben, ob ich will oder nicht. Muss diese braungestreifte Miezekatze hier erdulden. Samt ihren komischen Freunden. Muss sogar mein Frauli mit ihr teilen. Da kann ich nicht immer nur den Mund halten. Irgendwann platzt einem halt der hübsche Kragen.


Ich hab ja auch Gefühle. Weißt du eigentlich wie das ist, liebes Tagebuch, wenn man seine Spielsachen mit einer Zweitkatze teilen muss? Noch dazu mit einer, wo man nicht einmal genau weiß, woher sie kommt und wer sie in Wahrheit ist. Da könnte ja plötzlich irgendein Kater auftauchen und behaupten, er wäre mein Bruder. Oder Cousin.


Sobald ich sprechen konnte, hab ich die Mama gefragt, wer diese braune Kreatur da neben mir ist.

„Deine Schwester Nanni, wer denn sonst?“, hat Mama gesagt.

Wer denn sonst? „Beweise es“, hab ich gefordert.

„Aber Hanni, das musst du mir schon glauben. Ich werde es wohl am besten wissen.“

„Pfff!“

Derweil ist die Braungestreifte neben mir herumgekrochen und hat andauernd „Mama, Mama“ gesäuselt. Dieses falsche Trumm. Und seither hab ich sie an der Backe, meine Möchtegern-Schwester. Natürlich ohne Vorurteile. Aber man wird ja noch hinterfragen dürfen.

 
 
 

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