Liebes Tagebuch,
wir sitzen zu dritt im Wohnzimmer. Frauli liest, Nanni döst und ich massiere Fraulis Oberschenkel.
Die Zeit vergeht. Frauli liest, Nanni döst und ich massiere Fraulis Bauch.
Noch mehr Zeit vergeht. Frauli liest noch immer, Nanni kommt aus dem Dösen gar nicht mehr heraus und mir ist fad.
Gemächlich erhebe ich mich, strecke mich, putze meine Pfoten. So eine Massage ist anstrengend. Und hinterlässt Gerüche, die man nicht unbedingt mit sich herumschleppen will.
Nach einiger Zeit – Frauli liest (was auch sonst) und die doofe Nuss schnarcht sogar mittlerweile – spaziere ich gelangweilt in die Küche. Schau ins Futterschüsserl. Nix Neues. Schau in Nannis Schachteln. Leer. Hüpf auf das Küchenkastl. Alles wie immer.
Alles wie immer? Nein, da steht ein durchsichtiger Krug, bis oben hin voll mit einer gelben Flüssigkeit und zwei Beutel hängen drinnen. Ich nehme an, dass es sich hierbei um Tee handelt. Gelangweilt ziehe ich an der Schnur eines Beutels. Langsam steigt er im Krug nach oben. Ich lasse die Schnur los, der Beutel platscht in den Tee. Ich ziehe die Schnur und somit den Beutel hoch. Ich lasse locker, der Beutel klatscht auf der Teeoberfläche auf. Je heftiger ich ziehe und je schneller ich loslasse, desto lustiger hüpft der Teebeutel im Krug herum. Es platscht und zischt, dass es nur so eine Freude ist.
Ich drehe eine Pirouette, ziehe blitzschnell, drehe mich nochmals und lasse in der Drehbewegung die Schnur aus. Ha, das ist eine Gaudi Immer schneller drehe ich mich, immer doller ziehe ich.
„Krach, platsch, bumm!“ Ich sehe gerade noch aus den Augenwinkeln wie der Krug mit lautem Getöse auf dem Boden aufprallt. Der Tee spritzt durch die ganze Küche. Die Teebeutel fliegen in die Luft. Einer kommt auf dem Küchenkastl zu liegen, einer bleibt an meinem Ohrwaschel hängen.
„Was …?“ Frauli steht total erschrocken in der Küchentür.
„Hanni, was hast du gemacht?“ Nix.
„Hast du mit meinem Tee gespielt?“ Nö.
„Bleib wo du bist, da sind überall Scherben! Bist du verletzt?“ Hm, gute Frage.
„Nanni, geh da nicht hinein.“ Auf Zehenspitzen kommt Frauli auf mich zu. Sie versucht so gut es geht den Scherben auszuweichen. Ihre Plüschpatschen sind innerhalb kürzester Zeit waschelass.
„Lass mich einmal schauen.“ Sie pflückt mir den Teebeutel vom Ohr, untersucht mich von Kopf bis Fuß auf Verletzungen. „Hast du dich wo verbrannt? Geschnitten?“ Ich schaue sie nur stumm an. Stumm und extrem leidend. Vielleicht entkomme ich so einer Moralpredigt.
Und da ist sie auch schon, die Predigt: „Hanni, wieso kannst du nicht mit deinen eigenen Sachen spielen? Du hättest dir ordentlich weh tun können. Mein schöner Krug. Der gute Tee.“ Ich erspar dir lieber, was sie sonst noch so von sich gibt, liebes Tagebuch.
Frauli schnappt mich, trägt mich ins Vorzimmer, wickelt mich in ein Tuch. Frag mich nicht, warum sie das macht. Sie tut es halt. „Du bleibst jetzt hier sitzen, kommst nicht herein. Ich muss hier sauber machen.“ Gut, geh ich halt.
Langsam schlendere ich ins Wohnzimmer. Oh, was haben wir denn da? Tannenzweige und bunte Glitzerketten. Ah, ein Kugerl. Oh, eine duftende Kerze. Wie heißt das Ding doch gleich? Ach ja, Adventkranz. Den muss ich mir jetzt aber einmal ganz genau aus der Nähe ansehen.
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